What a wonderful world


Nalycevo - Ein Wanderparadies, aber kein Bär in Sicht

Nach unserem Kajakabenteuer wollten wir uns noch ein bisschen auf festem Boden fortbewegen. Eigentlich war unser Traum, ins Tal der Geysire hineinzuwandern. Aber alle unsere Recherchen ergaben dass dies auf Grund neuer Bestimmungen zum Naturschutz nicht mehr möglich ist. Mit dem Helikopter einfliegen, ein paar Tage mit Begleiter (Ranger und Inspektor) im Park wandern und wieder zurücklfliegen wäre die einizig machbare Alternative gewesen. Entgegen unseren sonstigen Gepflogenheiten rechneten unser Budget hoch (mehr als zweitausend Dollar war uns dann doch zu viel) und entschieden uns schweren Herzens gegen das Tal der Geysire. Martha (unsere Ansprechpartnerin in Jelizowo) gab sich alle Mühe, uns Alternativen zu bieten: Wir hätten ein Forscherehepaar in den absolut menschenleeren Südosten Kamtschatkas begleiten können, die dort Dallschafe beobachten wollten. Nach vielen Übelegungen entschieden wir, im Nalycevo Wandern zu gehen. Bei der Nationalparkverwaltung in Jelizovo besorgten wir uns Karte und Wandererlaubnis. Slawa, der Guide unserer Kajaktour hatte uns von Bären vorgeschwärmt, die in zehn Metern Entfernung vorbeigehen, während man in einem Hotpot liegt. 

Der Park liegt so nah bei Jelizovo, dass man mit dem Taxi zur Parkgrenze fahren kann. Das Dorf am Parkanfang ist allerdings so klein, dass man am besten schon vor dem Losgehen die Abholung abklärt, da es in Pinacevo kein öffentliches Telefon gibt. Wir verabredeten also mit Martha einen Abholtermin und zogen los.


Falscher Einstieg

Der Taxifahrer hatte uns auf einem großen freien Platz am Fluss aussteigen lassen. Direkt vor uns lag eine Hängebrücke über einen schäumenden Fluss. Wir wunderten uns über die fehlenden Markierungen und nach einiger Zeit kam uns ein Mann mit Fahrrad entgegen, der uns aufklärte, dass dies nicht der richtige Weg sei. Also gingen wir wieder zurück. Er brachte uns dann auf den richtigen Weg. Ein paar Meter neben der Hängebrücke war auch die richtige Bezeichnung, ein blauer Panda.


Fast geschafft

Alle fünf Kilometer findet man ein Schild mit der Entfernungsangabe zur Parkgrenze. Am ersten Tag ging es 23 km auf und ab, über Flüsschen (mit Baumstämmen als Brücke) und durch feuchtes Gelände. Mir klang oft die Stimme der Rangerin im Ohr: "Bei Gras, das mehr als zwei Meter hoch ist, kann Euch der Bär nicht sehen" (wir ihn aber auch nicht). Endlich kam die erste Übernachtungshütte in Sicht und wir waren froh, die erste Etappe geschafft zu haben. Zuerst meldeten wir uns beim Ranger, danach stellten wir unser Zelt auf. In der Nacht war ein größeres Tier vor unserem Zelt, es wurde vom Hund des Rangers vertrieben. Ob es nun ein Bär war, wollten wir dann doch nicht nachsehen.


Rangerhütte

Der zweite Wandertag begann wieder recht schweißtreibend. Denn es ging von Anfang an bergauf. Bereits an der ersten Rasthütte war ich ziemlich erschöpft und von hier aus, sollten es noch zwanzig Kilometer sein. Weiter das Tal hinauf zog der Weg alle Register: schlecht markiert, hohes Gras, Wege die in den Fluß abgerutscht waren ... Nachdem wir vier Stunden bergauf gegangen waren, war keine weitere Markierung zu finden. Wir befanden uns auf einem Schneefeld und konnten nicht erkennen, wo es weitergehen sollte. Nach mehreren Versuchen, den Weg zu finden, gaben wir auf und gingen zur letzten Hütte zurück. Einige Zeit nach dem Abendessen kam ein russischer Wanderer aus der Gegenrichtung, auf seiner Digitalkamera zeigte er uns Bilder von dem Schneefeld, auf dem wir aufgegeben hatten. Wir waren also doch auf dem richtigen Weg!

Wo ist hier der Weg ???2wo gehts hier weiter ?

Am nächsten Tag machten wir uns also wieder auf den Weg zur Paßhöhe. Und diesmal fand Reinhold den richtigen Weg über das Schneefeld. Die Oberfläche des Schneefeldes taut in den Augusttemperaturen wohl tagsüber so an,das wir keine Trittspuren sehen konnten. Der Weg vom Schneefeld auf die Paßhöhe ist recht steil und die letzten Meter hatten wir ganz schön zu kämpfen.


Ziemlich steil hierUnd immer noch nicht oben

Auf der anderen Seite ging es dann flott bergab und wir konnten uns nur schwer das Grinsen verkneifen, als wir dort zwei Wandergruppen beim Aufstieg trafen die schon hier ziemlich mitgenommen aussahen. Weiter ging es entlang eines Flusses und wieder durch hohes Gras. Reinhold meinte: Gott sein Dank gibt es hier keine Schwarzbären, man würde glatt darüberfallen.


endlich oben

Die letzten zwei Kilometer vor der zentralen Hütte des Nalycevo führen dann durch lichten Birkenwald. Bei den Hütten angekommen, war es gar nicht so einfach, den Ranger zu finden. Leider sprach er nur Russisch, trotzdem gelang es uns eine gemütliche Hütte zu mieten.


Schild im zentralen Teil des Nationalparks

Ein anderer Wanderer den wir unterweg bereits getroffen hatten, zeigte uns die Anlage. Am nächsten Tag gönnten wir uns einen Ruhetag. Wir sahen uns die heißen Quellen an, wo das Wasser nahezu kochend aus der Erde kommt. Es läuft dann durch einen langen Kanal an dessen Ende man spülen darf. Gegen Mittag waren wir dann in einem Hotpot zum Baden. Das heiße Wasser tat unseren armen Muskeln gut. Allerdings ließ sich der versprochene Bär nicht sehen. Abends trafen wir den Wanderer vom Vortag beim Kochen wieder. Er war zusammen mit seiner kleinen Tochter bei den Mineralquellen am Fuße des Vulkans gewesen und hatte uns köstliches Mineralwasser mitgebracht. Ich war verblüfft, auf Island schmeckt Wasser immer nach (verfaulten) Eiern und hier - köstliches Mineralwasser. (Nicht schlechter wie das aus Bad-Cannstatt). Der Abschied vom Ranger am nächsten Morgen war sehr herzlich, er schenkte uns noch eine Karte vom Park (natürlich mit Stempel).


Warmes Wasser zum GeschirrspuelenHeisse Quelle

Nahezu 100 Grad

Der Weg zurück war genauso anstrengend wie der Weg in den Park, aber ich war sehr stolz darauf, das wir den Aufstieg auf den Paß ziemlich gut und auch relativ schnell bewältigt haben. Allerdings war es den ganzen Tag ziemlich neblig und die Paßhöhe erblickten wir erst, als wir nur noch wenige Meter davon entfernt waren. Auf dem Rückweg ins Tal haben wir ein Tier aufgescheucht - aber es war einfach zu schnell verschwunden, um zu erkennen, wen wir da so erschreckt haben.


Nach einem langen TagGruenes Herz

Die Nacht verbrachten wir in der alten Hütte am Weg. Der nächste Morgen begann mit dem Geräusch von Regentropfen auf dem Hüttendach. Es sah nun doch deutlich nach Herbst aus, die Bäume verfärbten sich und der Nebel hing morgens lange über dem Fluß. Als der Regen nachlies, machten wir uns auf. Bei der Hütte, nahe derer wir die erste Nacht verbracht hatten, machten wir unsere erste Pause. Nur wenige Meter von unserem Zeltplatz, eine Woche zuvor, hatte ein Bär gewütet: ein herumstehender Leki-Stock war verbogen, Zucker verstreut und es lag ein riesiges "Bärenhaufchen" auf der Wiese, vom Verursacher allerdings keine Spur.

Unser Weg führte uns weiter Richtung Parkausgang, allerdings waren wir nun einen Tag zu früh für unsere Abholerin. Deshalb beschlossen wir, noch einmal im Park zu übernachten. Ganz wohl war mir dabei nicht, obwohl unser Zeltplatz wunderschön unter Bäumen am Fluß lag. Nach dem Frühstück am nächsten Morgen waren die letzten acht Kilometer wie ein Sparziergang. Wir waren dann auch viel zu früh am verabredeten Treffpunkt, also setzten wir uns in die Nähe des Flusses und warteten.


Nach der dritten Flasche WodkaAbschied

Nach einiger Zeit fuhr ein Auto mit einem Boot vorbei, auf der Suche nach einer geeigneten Einsatzstelle. Zehh Minuten später kam es zurück und drei junge Männer fingen an das Schlauchboot abzuladen. Einige Minuten später bat uns einer der drei ein Foto von ihnen zu machen. Nach der Fotosession luden sie uns zu einem Picknick ein: aus den Rucksäcken erschien gebratenes Hähnchen, Obst, Omelett, Brot, Salzgurken, Wurst, Käse, Aprikosensaft und, natürlich Wodka. Eine Runde Wodka folgte der nächsten und irgendwann kam noch ein Jugendlicher aus dem Dorf dazu, auch er wurde freundlich eingeladen. In einer Mischung aus Englisch und Russisch erzählten sie uns, sie seien Jurastudenten auf Entenjagd. Als die zweite Flasche Wodka leer war, wurde der Jugendliche ins Dorf geschickt um Nachschub zu holen. Zwischendurch kam der alte Mann, der uns am ersten Tag auf den richtigen Weg gebracht hatte, um die Genehmigungen der Jungs penibel zu kontrollieren. Zum Glück wollte er nicht unsere "ertrunkenen" Pässe und Visa sehen. Nach drei Flaschen Wodka (übrigens trank der Autofahrer keinen Tropfen) haben die zwei mit ihrem Raft abgelegt, schnell waren sie in der Strömung und nach wenigen Augenblicken bereits ausser Sichtweite. Wir hätten zu gerne gewußt, wie weit sie an diesem Tag noch gekommen sind. Wir haben die freundliche und offene Mentalität der jungen Männer sehr genossen. 

Eine halbe Stunde später wurden wir von Martha abgeholt und wir hatten ein bißchen Mühe uns den Wodka nicht anmerken zu lassen.    

    
Vulkane
        

Zum letzten Teil unseres Kamtschatka Abenteuers - Eine Ausreise mit Hindernissen



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© Annette Baur und Reinhold Strecker , Januar 2007