What a wonderful world
Nachdem
alles gepackt und in den
Booten verstaut war, machten wir uns auf, die vom Slawa übermittelten
Koordinaten zu finden. Andere Flussseite, aber näher als 300 m kamen
wir nicht
ran. Wir hielten dann auf der nächstgelegenen Sandbank und warteten.
Drei
russische Jugendliche wollten sich unbedingt mit uns unterhalten.
Irgendwie
funktioniert Kommunikation zumindest ansatzweise immer. Als sie hörten,
das wir
Deutsche seien, erzählten Sie uns von Ihrer Vorliebe für die Gruppe
Rammstein.
Zugegebenermaßen hatte zumindest ich noch nie etwas von dieser Gruppe
gehört.
Gegen 18 Uhr tauchte am
gegenüberliegenden Ufer ein Typ auf, der dort anfing ein Kajak
zusammenzubauen.
Es war dann wirklich Slawa, unser Guide für die restlichen 320
Flusskilometer
bis nach Ust-Kamtschatsk, durch militärisches Sperrgebiet.
Unsere Befürchtungen, was unseren
Guide anbetraf, erwiesen sich von der ersten Minute an als unbegründet.
Die
Kommunikation war kein Problem. Slawas Englisch ist hervorragend, was
wir von
unserem Russisch nicht sagen können.
Slawa sprach uns sogleich darauf
an, wie das denn mit unserer Kenterung gewesen sei. Er habe die
Geschichte von
Martha gehört.
Wir übernachteten auf der
Kozyrevsk gegenüber liegenden Sandbank. Am nächsten Morgen nach dem
Frühstück
und nachdem alles wieder in die Boote verpackt war, wobei Slawa einige
unserer
Kanusäcke in sein Boot geladen hat, ging es los.
Zum ersten Mal waren wir nicht
allein unterwegs. Nach unseren Erfahrungen waren wir allerdings auch
ein
bisschen froh, einen Begleiter dabei zu haben.
Der Charakter des Flusses ist
jetzt deutlich anders als in der Gegend um Milkowo. Mittlerweile ist
der Fluss
breiter und fließt weitaus gemächlicher dahin. So waren wir nach über
sieben
Stunden in den Booten nur etwa 40 km weit gekommen. Es gibt nicht nur
die
kleinen schwarzen Moskitos, sondern auch kleine weiße Ungeheuer, die
scheinbar
nicht stechen, sondern beißen. Insbesondere in der Dämmerung geht ohne
chemische Keule und Moskitonetz nichts.
Heute am zweiten Tag, konnten wir
schon einmal die unteren 4000 m des Kljutschevskoj sehen (der Rest war
im Nebel).
Es war ein wunderbarer Anblick der uns den ganzen Tag begleitete. Die
Landschaft wechselte im Laufe des Tages mehrmals.
Zum Abschluss des Tages gab es noch eine richtige Seekajak
Tour.
Der Fluss ist so breit, dass der Wind richtige Wellen aufbauen kann,
wobei es
noch darauf ankommt, ob der Wind mit oder gegen die Strömung des
Flusses weht.
Am Rande der Sandbank auf der wir
unser Zelt aufschlagen, finden wir alte Bärenspuren. Slawa sagt uns,
das einr
Bär der solche Spuren hinterlasse etwas 2,50 groß sei.
Wir beachten alle
Vorsichtsmaßnahmen im Umgang mit Bären und die Bären halten sich daran,
uns
nicht in unserer Nachtruhe zu stören. Der Blick, als wir am nächsten
Morgen aus
dem Zelt gekrabbelt sind, war traumhaft. Strahlend blauer Himmel und
davor der
Kljutschevskoj in seiner ganzen Größe und Schönheit von 4688 m.
Bis nach Kljutschi brauchten wir
an diesem Tag noch drei Stunden. Die Häuser von Kljutschi sind zum Teil
recht
hübsch. Bunt angestrichen mit liebevoll gepflegten Vorgärten und
Kapuzinerkresse
in den Balkonkästen und Hopfen am Balkon. Im vierten Laden ist es uns
dann auch
gelungen Müsli und Nüsse zu besorgen. Slawa sagte, die Einwohner
Kljutschis
seinen Militärs oder Vulkanologen oder Fischdiebe. Seit die Regierung
ihre
Beschäftigten nicht mehr oder nur sporadisch bezahlt, überwiegen wohl
die
Letzteren, aber von irgendetwas muss man ja wohl leben.
Gleich hinter Kljutschi frischt
der Wind ziemlich auf. Allerdings haben wir dieses Mal Rückenwind.
Dadurch sind
wir zwar schnell, aber es ist trotzdem anstrengend auf Kurs zu bleiben,
da sich
Strömung und Wellengang überlagern. Wir kommen an Flussabschnitten
vorbei, an
denen die Kamtschatka gut und gern 800 m breit ist. Ein riesiger Fluss.
Jetzt
haben wir wieder unsere Zelte auf einer Sandbank aufgeschlagen, den
Hausrat
verstaut und ich bin dabei Abendessen zu kochen.
Der Tag hatte heute noch bei
relativ flotter Strömung begonnen. Allerdings kamen wir danach in
Flussabschnitte die sehr breit, dafür aber fast ohne Strömung sind.
Jetzt sind
wir an dem Punkt, wo die Kamtschatka durch die Berge fließt. Vor diesem
Abschnitt waren wir in Milkowo gewarnt worden. Michail erzählte uns,
das man
diesen Teil unmöglich mit einem Kajak befahren könne. Er sprach in
diesem
Zusammenhang auch von Wildwasser. Von
Wildwasser ist allerdings keine Spur. Es ist ein fantastischer Anblick.
Links
und rechts Berge und wir gleiten mit unseren Booten lautlos dahin.
Slawa kennt
hier einen Fischer und Jäger, bei dem wir heute übernachten. Bei der
Ankunft
begrüßen uns als erstes drei Hunde, so überschwänglich, dass Annette
beim
Aussteigen fast gekentert wäre. Wasilij überlässt uns eine seiner
Hütten. Er
erzählt uns, das die Kamtschatka an dieser Stelle genauso viel Wasser
wie der
Amazonas transportiert. Slawa ist gerade dabei, frisch gefangenen und
ausgenommenen Lachs für das Abendessen vorzubereiten. Es war ein
köstliches
Abendessen bei dem wir uns den Bauch mit Lachs vollgeschlagen haben. In
der
Nacht machten dann die Hunde einen höllischen Lärm. Am anderen Morgen
erfuhren wird,
das Bären in der Nähe waren. Die wollten wohl auch was von dem Lachs
abhaben.
Im Dachgebälk von Wasilijs Hütte
hingen Fledermäuse und es gab drei flauschig weiche Katzen. Annette
wollte am
liebsten eine davon mitnehmen. Sie meinte ohne Pass aber dafür mit
Katze. Das
müsste doch für eine problemlose Aus- und Einreise reichen. Wir ließen
die
Katzen dann doch da. Ich glaube nicht, das es uns gelungen wäre, sie
zum
Mitkommen zu überreden, zumal sich Annette nicht zwischen der weißen
und der
mausgrauen Katze entscheiden konnte.
Am nächsten Tag war unser Ziel
eine alte Holzkirche aus dem Jahre 1703. Mittlerweile haben wir die
Berge
hinter uns gelassen. Teilweise war der Fluss heute fast einen Kilometer
breit.
Das letzte Stück bis zur Anlegestelle allerdings flussaufwärts in einen
Nebenfluss der Kamtschatka. Zum Abschluss des Tages mussten wir hier
noch
einmal richtig arbeiten. Nachdem wir die Boote aus dem Wasser gezogen
hatten,
machte sich Slawa auf die Suche nach dem Pfarrer, der sich um die alte
Kirche kümmert
und der hier wohnt. Wir luden derweil die Boote aus. Mittlerweile kam
ein
Motorboot und brachte den Hausherrn zurück. Leider war Slawa gerade
nicht da
und so waren wir auf unsere Russisch Kenntnisse angewiesen. Das wäre
eigentlich
nicht so schlimm gewesen, aber der Pope war der Meinung, Englisch
sprechen zu
können. Leider klang das für uns noch viel unverständlicher wie das
Russisch.
Als Slawa zurückkam, beklagte er sich bei ihm, das wir sein Englisch
nicht
verstünden.
Die über 300 Jahre alte Holzkirche
ist sehr schlichtes Gotteshaus, aber wunderschön mit viel Licht im
Innern.
Beim Aufbruch am nächsten Morgen
hatte Slawa leider seine Zigaretten vergessen und musste noch einmal
zurück. Da
die Kamtschatka hier sehr breit und träge ist, konnten wir in Ruhe auf
ihn
warten.
Eigentlich hatte Slawa uns für
heute weniger Moskitos versprochen. Leider Fehlanzeige! Aber das ist
auch der
einzige Fehler, de ihm unterlaufen ist. Wir zelten auf einer Wiese kurz
vor
Ust-Kamtschatsk. Laut Slawa sind es bis zum Ozean noch zwei Kilometer.
Also
sind wir schon fast am Ziel. Heute Mittag wollte ich eine Sandbank auf
der
einen Seite des Flusses vermeiden. Leider lief ich dann auf der
Sandbank in der
Mitte des Flusses auf. Aussteigen, das Boot in tieferes Wasser ziehen
und
wieder einsteigen. Zum Glück ist die Strömung hier sehr gering.
Auf den letzten Kilometern der
heutigen Etappe haben wir einige Seehunde gesehen. Es sieht einfach
spaßig aus,
wenn sie uns mit ihren großen runden Knopfaugen anschauen und dann
blitzschnell
abtauchen.
Die allerletzte Etappe war noch
ziemlich abenteuerlich. Heute morgen konnte man die Hand nicht vor den
Augen
sehen. Trotzdem sind wir losgepaddelt. Teilweise konnten wir nur durch
Rufen
die Position Slawas ausmachen. Da wir im Nebel zu weit nach Osten
abkamen,
mussten wir am Schluss die schweren Boote noch über eine Sandbank
schleppen und
gegen 12 Uhr waren wir dann ungefähr da, wo wir hinwollten. Nun mussten
die
Boote schnell abgebaut und eingepackt werden. Zum Glück ließ der
Transport noch
ein bisschen auf sich warten, so war alles verpackt, als Slawas Kumpel
mit
seinem Kleintransporter kam.
Im Hotel angekommen, holten uns unsere nicht mehr
vorhandenen Pässe wieder ein. Slawa musste mit dem kurz danach
eintreffenden
Milizionär einen weiteren Bericht verfassen, wie uns unsere Pässe
abhanden
gekommen sind. Nachdem dieser Bericht einmal für meinen und dann für
Annettes
Pass verfasst und unterschrieben wurde, war die Sache erst mal
erledigt. Auf
unserem Weg durch das militärische Sperrgebiet waren wir kein einziges
Mal
kontrolliert worden. Im Hinblick auf die Größe des hier im Hotel
verfassten
Protokolls war das sicherlich auch besser so. Leider mussten wir am
Schluss
unsere Genehmigung des FSB für das militärische Sperrgebiet wieder an
Diligans
zurückgeben.
Slawa schaffte es dann noch,
Tickets für den Bus am nächsten Tag nach Petropawlowsk zu organisieren.
Ohne
ihn hätten wir das nicht geschafft. Am Abend feierten wir dann ein
bisschen,
das wir unser Ziel in der zur Verfügung stehenden Zeit erreicht hatten.
Der Tag begann etwas hektisch. Wir hatten uns etwas verschätzt, in der Frage wie lange wir brauchen, um unser gesamtes Gepäck zum Bus zu bringen. Ohne Slawas Organisationstalent hätten wir wahrscheinlich ein Problem gehabt. Aber so klappte es gerade noch rechtzeitig. 15 Stunden Busfahrt von Ust-Kamtschatsk nach Jelizowo. Unser Gepäck liegt größtenteils im Gang und jeder muss bei jedem Halt darüberklettern. Abends gegen 23 Uhr kommen wir in Jelizowo an. Zum Glück holt uns Martha mit ihrem Pickup am Busbahnhof ab. So haben wir immerhin den zweiten Teil unserer Flusstour auf der Kamtschatka von Kozyrewsk nach Ust-Kamtschatsk mit der Hilfe und Unterstützung von Slawa erfolgreich geschafft. Slawa war genau der Guide den wir uns gewünscht und erhofft hatten.
Zum vierten Teil unserer Kamtschatka Reise - Wanderung im Nalycevo Nationalpark