What a wonderful world



Die Herausforderung und ...

Schon vor dem Urlaub haben wir diskutiert, ob wir uns eine Reservierung für den Westcoasttrail besorgen sollten. Wir hatten schon viel über diesen Trail gehört. Er gilt als einer der schwersten und anspruchsvollsten.

Wir entschlossen uns, nicht zu reservieren und es einfach zu probieren. Als Ersatz-Trail hatten wir uns für den Juan-de-Fuca-Trail entschiednen.

Der Trailbus von Victoria war für den 31.7. gebucht. Wir wollten am südlichen Trail-Ende in Port Renfrew, bzw. am Gordon River beginnen.




Am Vorabend sind wir den Inhalt unserer Rucksäcke durchgegangen und haben kompromisslos alles, von dem wir meinten, es nicht für die Wanderung zu brauchen, aussortiert. Die restlichen Dinge konnten wir im Hostel in Victoria zwischenlagern.

So waren die Rucksäcke zwar schwer, aber noch tragbar.

Der Bus fährt um 6:40 Uhr vom Busbahnhof in Victoria ab. Das hieß früh aufstehen und ein Frühstück war um diese Zeit auch noch keines zu bekommen.   

Der Bus war ziemlich voll. Es sah so aus als hätten die meisten eine feste Reservierung für heute. Eigentlich wollen  wir ja schon den Westcosttrail gehen, aber, wenn er wirklich so schwer ist und wir es nicht schaffen? Die Menge der Mitpassagiere ließ es wahrscheinlich erscheinen, dass wir unsere Kräfte nicht am Westcoasttrail erproben mussten. Langsam verging die Zeit. Der Bus erreichte Port Renfrew. Der Fahrer zeigte uns im Vorbeifahren den altehrwürdigen Generalstore. Ich erinnerte mich daran, das wir noch Benzin für den Kocher brauchten. Am Visitorcenter  angekommen, brauchten wir erst mal einen Kaffee, der sich leider als Kakao entpuppte. Nun, wir waren ja schon wach. Als auch wir endlich in die Hütte kamen, sassen die anderen schon und füllten ihre Anmeldungen aus. Wir sagten der Rangerin die an diesem Tag Dienst hatte, dass wir keine Reservierung hätten. Wir erwarteten ein bedauerndes Kopfschütteln und die Aussage, das heute schon alles voll sei. Statt dessen, fragte Sie uns, ob wir die 11 oder die 1 Uhr Fähre nehmen wollten. Da sassen wir in der Falle. Unsere Ängste waren zwar nicht weg, doch wir wagtes es auch nicht, sie in dieser Situation laut auszusprechen. Wir wollten natürlich die 11 Uhr Fähre nehmen. Der Einwand Annettes, dass wir noch Benzin für den Kocher bräuchten, wurde mit „kein Problem, wir haben Benzin hier“ beantwortet. So blieb uns nicht anderes übrig, als die Anmeldung wie die anderen, auszufüllen. Als Zeitraum für die 75 km haben wir uns 7 Tage vorgenommen.

Während wir noch beim Ausfüllen der Formulare waren, hielt die Rangerin die obligate Einführung über den Trail, seinen Zustand, Bären, Pumas, Wespen und die Gefahr von Verletzungen, die nicht zu unterschätzen sei. Desweiteren wurde uns der Gebrauch der Tidentabelle erklärt. Nach Bezahlung sämtlicher Gebühren und der Erklärung, wo die Fähre über den Gordeon River ablegt, musste ich erst noch unseren Benzinvorrat auffüllen.

Auf die Frage, woher sie denn dieses doch etwas größere Benzinkontingent habe, erklärte uns die Rangerin, das seien Vorräte von Wanderern die aus Patcheena kämen und für ihr restliches Benzin keine Verwendung mehr hätten. Fluggesellschaften reagieren heutzutage auf solche Dinge wie Benzin im Gepäck besonders allergisch. Da Annette unseren Wasservorrat noch auffüllen wollte, musste ich die Fähre solange aufhalten. So wurde aus der 11 Uhr eine 11.30 Uhr Fähre. Kurz nach halb zwölf waren wir auf der anderen Seite und das Abenteuer Westcoasttrail konnte beginnen.

31. Juli Gordon River – Trasher Cove

Von der Fähre geht es sehr steil bergan und wir passieren kurz nach Beginn das gelbe Schild mit der Aufschrift 75. Diese Zahl sollte von nun an immer kleiner werden. Im Gegensatz zu den sinkenden Kilometerzahlen, führt der Weg über Stock, Stein und Wurzeln steil nach oben. Bis zum Tagesziel, Trasher Cove, sind es sechs Kilometer. Nur sechs Kilometer. Aber was für welche. Schon nach kurzer Zeit fängt der Rucksack ganz furchbar an zu drücken. Der Schweiss rinnt mir in Strömen von der Stirn. Warum taucht eigentlich schon seit längerer Zeit kein weiteres Kilometerschild auf?  Wir müssten mittlerweile mindestens schon bei Kilometer 74 sein. Weiter geht es. Auf und ab. Die Wurzeln der Bäume machen deutlich, warum das hier Regenwald ist. Mannshoch geht es die Wurzeln hinauf, auf der anderen Seite wieder hinunter, zur nächsten Wurzel. Da, endlich! Wieder ein kleines gelbes Schild. Nein, niemand hat eines als Souvenir mitgenommen.




Wir sind wirklich erst einen Kilometer weit gekommen. Ich brauche die erste Pause. Weiter geht es. Bei Kilometer 72 stehen noch Maschinen vom Bau des Westcoasttrails als Überlebenstrail für Schiffbrüchige. Kurz danach erreichen wir den, laut Karte, höchsten Punkt des Trails. Es geht weiter wie bisher, auf und ab. Bei Kilometer 70 erreichen wir ein Schild mit der Aufschrift: Camper Bay 8 km. Ab jetzt ist es bis Trasher Cove noch ein Kilometer. Diesen Kilometer müssen wir morgen früh wieder zurück. Mittlerweile ist es etwa 18.30 Uhr. Wir machen vor dem letzten Kilometer des heutigen Tages noch einmal Pause. Im Wald ist es um diese Zeit schon ziemlich dämmrig und neben unserem Rastplatz steht ein Warnschild mit dem Hinweis: „Cougar in this area“. Gegen 19 Uhr machen wir uns auf den Weg. Es ist ja nur noch ein Kilometer. Es geht stellenweise steil bergab. Der Rucksack schiebt dabei gewaltig. Mitten im Wald wird es langsam dämmrig. Irgendwann riechen wir die Lagerfeuer von Trasher Cove. Den Abschluss bilden vier Leitersysteme, die hinunter zum Strand führen. Es ist etwa 20.15 Uhr als wir in Trasher Cove ankommen. Mit zittrigen Knien lassen wir den Rucksack auf den Sand fallen und nehmen den nächstbesten Platz am Strand um das Zelt aufzubauen. Während Annette Wasser holt, baue ich das Zelt auf und richte unseren Hausstand soweit her. Annette zieht sich erstmal ins Zelt zurück. Ich mache mich daran, das Abendessen zu kochen. Nachdem wir etwas Warmes im Magen haben, geht es uns langsam wieder besser. Unterdessen hat es angefangen, leicht zu regnen. Bevor wir uns ins Zelt zurückziehen, bringen wir Lebensmittel und Hygieneartikel in den Bärencontainer.

01 August Ruhetag



Am nächsten Morgen, das Wetter ist wieder wunderbar, beschliessen wir diesen Tag in Trasher Cove zu verbringen. Annettes Knöchel protestiert schärfstens dagegen, heute weitergehen zu müssen. Wir wollen ihm den Gefallen tun. Zudem können wir  dann auch unsere Reisetagebuch wieder auf den aktuellen Stand bringen.

02. August Trasher Cove – Camper Bay

Als erstes geht es den letzten Kilometer wieder zurück. Bis wir an der Weggabelung nach Camper Bay sind, sind wir schon völlig durchgeschwitzt. Die Leitern herunterzusteigen ist eigentlich kein Problem. Aber wenns dann hoch geht, wird das ganz schnell zu einer absoluten Schinderei. Die Hoffnung, das der Trail an diesem Tag leichter wird, trügt. Ab Kilometer 64 gibt es dann Boardwalks, so daß wir etwas leichter vorankommen und unser Tagesziel Camper Bay erreichen.




03. August Camper Bay – Walbran Creek

Unser heutiges Etappenziel ist Walbran Creek bei Kilometer 53. Leitern, Sumpf zu überquerende Baumstämme. Wir sind froh, es bis Logan Creek bei Kilometer 56 geschafft zu haben.       




04. August Logan Creek – Walbran Creek – Carmanagh Creek

Gegen Mittag erreichen wir unseer gestriges Ziel, Walbran Creek. Wir warten darauf, dass die Flut zurückgehrt, um endlich am Strand entlang weitergehen zu können.



Der Weg direkt am Strand entlang ist gewöhnungsbedürftig. Auf lockerem Sand oder auf Kies sinkt man mit schwerem Rucksack tief ein. Bei Ebbe ist es am besten, direkt über den Meeresboden zu gehen. Dabei muss man allerdings aufpassen, nicht auf dem noch nassen Sandstein aszurutschen, was mir ein paar Mal passiert ist. Beim Weitergehen trocknet der Hosenboden allerdings schnell wieder und sorgt sogar für ein bisschen Abkühlung.

Es ist ein eigenartiges Gefühl direkt über den Meeresboden zu gehen. Dort, wo bei Flut nur eine einheitliche Wasserfläche zu sehen ist, zeigt sich jetzt eine Landschaft mit Erhebungen und Vertiefungen.

Gegen Abend erreichen wir Carmanagh Creek. Das Indianercafe vor Kilometer 44 sparen wir uns für ein zweites Frühstück am nächsten Morgen auf.





05. August Carmanagh Creek – Kilometer 31

Das zweite Frühstück bei dem Indianerkiosk, den jeder Führer des Westcoasttrails erwähnt, ist wirklich ein Erlebnis.

Zwischen Kilometer 38 und 36 ist das Zelten wegen eines Bärenüberfalls verboten. Es gibt zwar trotzdem einige, die in diesem Bereich ihre Zelte aufbauen, wir möchten allerdings nicht irgendwann von einer Bärentatze geweckt werden. Bei Kilometer 34, wo laut Karte ein Anker auf dem Strand liegt, wollen wir die heutige Etappe beenden. Leider gibt’s hier keinen Zugang zum Strand. Also weiter. Wir hoffen, irgendwo bei den Nitinat Narrows einen Übernachtungsplatz zu finden. Der Typ an der Fähre ist allerdings ziemlich unfreundlich und meint, die nächste Übernachtungsmöglichkeit sei eine Stunde weiter am Strand. Keine Nachricht, die meine Stimmung nachhaltig verbesserte, denn eigentlich bin ich für heute schon ziemlich fertig. Etwa bei Kilometer 31 finden wir auf einem Cliff, etwas abseits vom Weg, einen kleinen Platz, um unser Zelt aufzuschlagen. Da es kein Wasser gibt, fällt das Abendessen aus. Todmüde verkriechen wir uns in unsere Schlafsäcke und fallen schon bald in einen tiefen Schlaf.

06. August Kilometer 31 – Tsusiat Falls



Aus dem gleichen Grund muss am nächsten Morgen das Frühstück erstmal warten. Wir holen es am Strand, etwa bei Kilometer 29 nach. Das wäre zwar ein schönerer Übernachtungsplatz gewesen, aber ich war am gestrigen Abend nicht mehr imstande weiterzugehen. Die heutige Etappe ist im Vergleich zu gestern sehr kurz. Wir wollen den Campingplatz bei den Tsusiat Falls erreichen. Als wir dort ankommen, können wir die Möwen beim Baden im Tsusiat River beobachten. Wie bei Möwen üblich, erfüllt ein riesiges Geschrei die Luft. Wie auf Kommando erheben sich die Möwen, die eben noch im Fluss gebadet haben um anderen Platz zu machen. Es sieht lustig aus, wie sich die Möwen waschen 




07. August Tsusiat Falls – Michigan Creek

In unserem Reisetagebuch steht unter diesem Datum unter anderem:

„Eigentlich hatten wir auf dem Permit angegeben, heute zurück zu sein, doch die Ranger werden wohl noch einen Tag auf warten müssen.“

Die vierzehn Kilometer liefen echt gut. Die meiste Zeit konnten wir am Strand entlang gehen. Kurz vor Michigan Creek haben wir dann zum ersten Mal die Park Patrouille getroffen. Die haben uns dann schon mal Mut für die abschliessende Etappe gemacht. Die zwölf Kilometer wären problemlos in 3,5 Stunden zu laufen, meinten Sie. Da Sie den zweifelnden Ausdruck in unseren Gesichtern sahen meinten Sie, da gäbe es einen Kilometer den könne man in sieben Minuten gehen.  Wir werden sehen.

Beim Überqueren des Michigan Creek übersehen wir den Baumstamm der weiter oben über dem Fluss liegt und ich hole mir zum Ende der heutigen Etappe nasse Füsse.

Als wir nach dem Abendessen noch vor den Zelt sitzen, können wir die Atemfontänen von Walen beobachten. Vermutlich handelt es sich um Grauwale. Genau auszumachen ist dies von Land allerdings nicht.  

08. August Michigan Creek – Pachena Trailhead


 

Heute wollen wir die Voraussage der Jungs von der Park Patrouille überprüfen, ob es auf den zwölf restlichen Kilometern einen gibt, für den wir nur sieben Minuten brauchen. Diese letzte Etappe führt nun nicht mehr am Strand entlang, sondern durch den Wald. Schon als wir Pachena Lighthouse bei Kilometer 10 erreichen, kommen uns Zweifel, ob das mit den 3,5 Stunden nicht nur ein Versprechen war, um uns Kraft für diese letzte Etappe zu geben. Auf dem letzten Kilometer gibt es noch einmal eine Umleitung. Wir haben gehofft, alle Leitern hinter uns zu haben, aber hier auf dem letzten Kilometer ging es noch über einige Leitern hinauf und auch wieder hinunter. Ursprünglich muss das der Kilometer mit den sieben Minuten gewesen sein.

Um 14:06 Uhr erreichen wir das Trailende. Geschafft. Erschöpft aber voller Stolz lassen wir die Rucksäcke ins Gras fallen.  

Nachdem wir uns zurückgemeldet haben, organisierten wir vom Trailende aus eine Übernachtung in Rosies Bed and Breakfast und ein Taxi. Die Fahrt vom Trailhead bis zu Rosies B&B klärte uns schon über alle Sehenswürdigkeiten und wichtigen Punkte (Generalstore, Restaurant, Pub) inklusive Wegstrecke und Zeitbedarf in Bamfield auf.

Nach einer erfrischenden und säubernden Dusche machen wir uns auf den Weg Bamfield zu Fuß zu erkunden. Wir beschlossen den Tag im Pub bei Bier und Fish and Chips. Dabei trafen wir dann auch viele unserer Mitwanderer aus den letzten Tagen.  




    

31.07.    

Gordon River – Trasher Cove

01.08.    

Ruhetag in Trasher Cove

02.08.    

Trasher Cove – Camper Bay

03.08.    

Camper Bay – Logan Creek

04.08.    

Logan Creek – Walbran Creek – Carmanagh Creek

05.08.    

Carmanagh Creek – Kilometer 31

06.08.    

Kilometer 31 – Tsusiat Falls

08.08.    

Michigan Creek – Patcheena Trailhead




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© Annette Baur and Reinhold Strecker , Januar 2006