What a wonderful world
Pfingsten
nahte und damit die Zeit, die Boote zu Wasser zu lassen und den Staub
und Schmutz des letzten Jahres endgültig abzuwaschen und eine
neue Paddelsaison einzuläuten.
Wie
immer begann die Suche nach einem Ziel. Was die Sache auch in diesem
Jahr wiederum so schwierig machte, war nicht, daß uns kein
Ziel eingefallen wäre, sondern ganz im Gegenteil, die Menge
der Ziele.
Wir einigten uns grob auf
die Mecklenburgische Seenplatte und wollten dazu erstmal noch
nähere Informationen einholen. Unsere Recherchen im Internet
und in diversen Foren ergaben allerdings, dass um Pfingsten
die reelle Gefahr bestand, vor lauter Booten kein Wasser mehr zu
sehen. Da die Müritz ohnehin nicht zu den
„Großgewässern“ zählt,
beschlossen wir, uns ein anderes Ziel zu suchen. Allerdings suchten wir
nun nach einem anderen Ziel in Mecklenburg. Dieser Teil Deutschlands
gehört für uns immer noch zu einem
unbekannten Land. Terra incognita am nordöstlichen Tellerrand
Deutschlands.
Die Entscheidung fiel
dann
zugunsten der Peene. Dieser Fluß ist auch als
„Amazonas Deutschlands“ bekannt. Wir fanden dies
einen ziemlich gewagten Vergleich, da aber Annette den
„echten“ Amazonas wegen Schlangen und anderem
„ekligen“ Getier nicht mit mir gemeinsam im Kajak
befahren will, konnten wir uns auf den „deutschen
Amazonas“ verständigen und dies, obwohl wir im
Internet auch Berichte fanden, die über Schlangen an der Peene
berichteten. Allerdings gab es in den Berichten mehr Biber als
Schlangen. Und die gehören nun mal zu den Tierchen, die wir
wirklich mal direkt vom Kajak aus sehen wollten. Startpunkt unserer
Tour sollte Dahmen am Malchiner See sein. Auf dem Weg zur
Peene wollten wir einen Stopp in Wittenberg einlegen. Uns interessierte
neben der Lutherstadt, die von Friedensreich Hundertwasser gestaltete
Schule dort. Die Anreise gestaltete sich nicht ganz einfach. Durch
frühzeitigen Aufbruch konnten wir die Staus im
Großraum Stuttgart umfahren. Dafür erwischte uns
dann der Feierabendstau in Mitteldeutschland. Erst gegen 20 Uhr kamen
wir in der im Wittenberger Schloß gelegenen Jugendherberge
an. Nachdem wir unser Zimmer bezogen hatten, machten wir uns
zu einem ersten Stadtrundgang auf, der allerdings in der ersten Kneipe
die uns zusagte, für diesen Abend endete.
Am
Samstag vormittag konnten wir uns die Stadt noch einmal bei Tageslicht
ansehen. Eine wirklich schöne alte Stadt. Das Hundertwasser
Gymnasium sieht in der Realität noch weit schöner
aus, als in irgend welchen Kunstzeitschriften. Ob die Durchschnitte an
dieser Schule wohl mit denen anderer
„konventioneller“ Schulen vergleichbar sind ?
Insbesondere
das Prinzip der „Baum-Mieter“, wo die Natur im
wahrsten Sinn des Wortes in der menschlichen Behausung verwurzelt ist
und gleichzeitig den Bezug nach draußen zum Licht herstellt.
Kann es bessere Möglichkeiten geben, ökologische
Zusammenhänge darzustellen, als in einer solchen Schule?
Am
Nachmittag hatten wir dann noch einige Mühe, unser
eigentliches Ziel, den Campingplatz von Dahmen am Malchiner See zu
erreichen. Irgendwie hatte uns unser Routenplaner zu einem zwar
gleichnamigen Ort, allerdings an einem anderen See zu dirigieren
versucht. Es kostete uns einen nicht unerheblichen Umweg, aber am
Schluss haben wir den Campingplatz erreicht. Annette war nach
der langen Fahrt rechtschaffen müde und legte sich nach dem
Aufbau des Zeltes erst mal aufs Ohr. Währenddessen baute ich
unsere beiden Faltkajaks auf.
Am Sonntag
ging’s dann los. Zuerst über den Malchiner See, der
für einen solch kleinen See ziemlich bewegt war. Am Ende des
Sees angekommen war die Frage, wo ist jetzt die Ausfahrt ?
Glücklicherweise kamen gerade einige Kanuten aus der
entgegengesetzten Richtung, so dass wir hinter einer Schilfwand prompt
die Einfahrt in den Peenekanal fanden.
Wir beschlossen diesen Tag auf dem Platz des Kanuvereins von Malchin, wo wir gegen eine geringe Gebühr unser Zelt aufschlagen konnten. Später an diesem Abend gab es dann noch das Gewitter, das schon den halben Tag vor sich hin grummelte.
Eigentlich
wollten wir am nächsten Tag weiter über den
Kummerower See, aber alle warnten uns vor den kurzen und hohen Wellen
auf diesem See, die schon einigen Kanuten und Seglern zum
Verhängnis wurden. Wir beschlossen, die Warnungen für
diesen Tag zu beherzigen und blieben noch einen zusätzlichen
Tag in Malchin.
Auf unserem kleinen Sonntag
nachmittags Ausflug per Boot zum Moorbauern haben wir einen Eisvogel
gesehen. Diese Sommergaststätte ist nur mit dem Boot oder
über einen kleinen Weg durch den Schilfgürtel zu
erreichen. Als wir dort saßen, stiegen vom
gegenüberliegenden Ufer vier Adler in die Luft. Der lakonische
Kommentar des Moorbauern: „Lasst meine Hühner in
Ruhe“.
Als wir am nächsten
Vormittag auf unserem Weg zum Kummerower See wieder beim Moorbauern
vorbeikommen, steht dort ein Schild mit der Aufschrift:
„Leergegessen, deshalb heute
geschlossen“. So sieht also erfolgreiches
wirtschaften aus.
Übrigens
sind wir gerade dabei, den Fluß leer zu futtern. Gestern beim
Moorbauern gab es Forelle, heute Wels und in Dahmen gab es schon
Zander.
Eigentlich hatte ich ja gedacht, dass
Vögel nachts schlafen. Aber einige hielten sich in dieser
Nacht nicht daran. Dazu kam noch ein ausgewachsenes Froschkonzert.
Irgendwann sind wir dann aber doch noch eingeschlafen. Weiter ging es
auf der Peene in Richtung auf die Kreis- und Hansestadt Demin. Diese
ehemalige Hansestadt hat uns allerdings ziemlich enttäuscht.
Städtebaulich, gastronomisch und auch sonst. Der
nächste Rastplatz für Wasserwanderer ist in
Alt-Plestin. Unterwegs hatte ich einen Adler erschreckt. Protestierend
erhob er sich in die Luft. Ich bin allerdings vermutlich nicht weniger
erschrocken, als er.
Bei einer Besichtigung
von Alt- und Neu-Plestin hat uns ein etwa 70 jähriger die
Situation im Dorf und in Vorpommern zu erklären versucht.
Anlaß für seine Erklärungen war, dass wir
gerade vor einem Hof standen, der Straußenvögel
züchtete. Aber eigentlich hatte ein Storchennest mit zwei
kleinen Störchen, unsere Aufmerksamkeit erregt. Trotzdem war
das Gespräch mit dem Rentner für uns
„Wessis“ eine echte
Geschichtsstunde.
Das Flussbett ist hier
schon
ziemlich
breit. Wir sitzen jetzt schon eine ganze Weile am Ufer und es sieht
aus, als würde der Fluß rückwärts
fließen. Eigentlich hatten wir für heute abend auf Biber oder
Otter gehofft – aber nun ist es schon ziemlich
dämmrig, und es war noch keiner da.
Für
dieses Mal schaffen wir es nur noch bis nach Anklam. Der Weg bis nach
Usedom muss bis zum nächsten Mal warten.
Dieses
nächste Mal findet zwei Jahre später, auch wieder an
Pfingsten statt. Auf dem Weg an die Peene machten wir dieses Mal
Station in Dessau, wo wir uns die Meisterhäuser der Bauhaus
Architekten angesehen haben.
Unsere Flusstour
wollten wir dieses Mal auf dem wunderschönen Rastplatz in
Stolpe beginnen. Allerdings muss ich dieses Mal die Boote im
strömenden Regen aufbauen. Am nächsten Tag regnete es
noch immer. Erst am Nachmittag lässt der Regen langsam nach.
Wir machen einen Ausflug nach Anklam. Auf dem Rückweg in der
Dämmerung, sind sie plötzlich da. An verschiedenen
Stellen hören wir das Klatschen der Biberschwänze auf
dem Wasser. Wir können Sie sehen, zum Fotografieren ist es
allerdings schon zu dunkel. Wir schätzen, dass wir auf diesen
zehn Kilometern 15 Biber gesehen haben. Am besten gefiel mir ein Biber,
der gerade dabei war, eine kleine Birke abzuschleppen. Er hat ganz
schön lange überlegt, ob es unbedingt sein
muss zu tauchen – letztendlich hat er mir dann doch
nicht getraut. Die Biber haben uns dann ums Abendessen gebracht
– als wir zurück kamen war’s zu
spät. Dafür heute morgen die Entschuldigung
– wir hatten Frühstück bei der
Hafenaufsicht bestellt. Und heute morgen war der Tisch mitten im Hafen
gedeckt mit Tischdecke, Blumen Kuchen, frischen Brötchen und
richtig gutem Kaffee.
Wieder auf dem
Fluß entschlossen wir uns, auf dem Weg nach Lasan einen
Zwischenstopp in Anklam einzulegen. Anklam hatte sich seit unserem
ersten Besuch vor zwei Jahren nicht sonderlich verändert. Die
ABM Stelle von vor zwei Jahren, gab es zum Glück noch immer
und noch immer für die gleiche Person. Ansonsten scheint die
Blütezeit dieser Stadt Otto Lilienthals schon lange vorbei zu
sein, sofern es hier überhaupt jemals eine Blütezeit
gegeben hat.
Von Anklam geht es weiter bis zur
Mündung der Peene in den Peenestrom und ins Achterwasser.
Bis zur Mündung mäanderte die Peene ruhig vor sich hin. Danach wurde es dann etwas kabbelig. Keine richtigen Wellen, sondern eine unruhige Dünung. Zwischendrin, gegenüber von Usedom, fanden wir eine Stelle um an Land zu kommen und uns die Beine zu vertreten. Danach hatten wir noch ca. zehn Kilomenter vor uns. Irgendwann frischte der Wind, der direkt von vorn kam, stark auf. Die Wellen wurden größer und die Paddelei wurde zur harten Arbeit. Da tauchte dann endlich der Kirchturm von Lasan auf. Der Ausstieg war wohl schon seit längerem nicht mehr benutzt worden. Überall Entengrütze. Der Naturcampingplatz heißt wohl deshalb so, weil außer Rasen mähen, dort nicht viel gemacht wird.
Als
wir am nächsten Morgen die Boote wieder beluden, saß
ein Frosch auf einem Grashalm und beobachtete interessiert unser Tun.
Er ließ sich nicht einmal dadurch, dass wir ins Boot
einstiegen, von seinem Platz vertreiben.
Unser
heutiges Ziel war Wolgast. Die Bedingungen sind heute, im Vergleich zum
gestrigen abend, ruhig, sozusagen Ententeichbedingungen. Das
führte allerdings auch dazu, dass wir teilweise das
Gefühl hatten, überhaupt nicht vorwärts zu
kommen. Die Peene-Werft in Wolgast gehört heute zur
Hegemann-Gruppe mit Sitz in Bremen. Solch eine Werft im Kajak zu
umfahren, war schon eine tolle Erfahrung. Endlich kamen wir dann auch
an die Brücke von Wolgast. Direkt dahinter ist das Vereinsheim
des Kanuclubs Wolgast, wo wir im Garten unser Zelt aufbauen konnten.
Am
nächsten Morgen, nachdem alles verpackt war, die Boote gepackt
und wir im Wasser waren, merkten wir, als wir aus dem Windschatten der
Bucht kamen, das dies ein höchst ungemütlicher und
arbeitsamer Tag auf dem Wasser werden würde. Nachdem uns das
klar wurde, überlegten wir, was zu tun sei. In der
nächsten Bucht beschlossen wir, hier an Land zu gehen. Annette
wollte los um das Auto zu holen. Allerdings stellte sich heraus, dass
diese Bucht mit dem Auto nicht erreichbar war. Wir mussten die Boote
und all unser Equipment zum nächsten erreichbaren Parkplatz
tragen. Da der Weg durch eine Kleingartenkolonie führte, blieb
der Landtransport von zwei Faltbooten nicht unbemerkt. Unter den
Frotzeleien der Kleingärtner, die uns fragten, warum die
Schiffe denn nicht im Wasser seien, brachten wir den zwei Kilometer
langen Weg zum Parkplatz hinter uns. Und dann das gleiche noch einmal
mit dem zweiten Boot, und mit der restlichen
Ausrüstung.
Nachdem
die Boote verpackt waren, machten wir uns auf den Weg den Campingplatz
zu finden, den wir eigentlich per Boot erreichen wollten,
nämlich das Waldcamp in Freest.
Nach
einer ausgiebigen Dusche heute früh, sind wir nach
Peenemünde gefahren. Auf den ersten Blick hat mich das Museum
sehr enttäuscht. Es stand nur irgendwelcher
„Militärschrott“, Flugzeuge, Helikopter,
Raketen herum. Im Gebäude des ehemaligen Kraftwerks wurde es
dann aber viel besser. Meiner Meinung nach wurde eindrucksvoll
dargestellt, dass diejenigen, die hier freiwillig arbeiteten sich nicht
um Moral und Ethik scherten.
Danach ging es
dann weiter nach Heringsdorf und Ahlbeck. Wir schafften es, noch ein
Zimmer in der Jugendherberge von Heringsdorf zu bekommen. Irgendwo im
‚Untertan’ von Heinrich Mann gibt es eine Stelle
die auf Usedom spielt. Nochmal nachlesen steht in unserem
Reisetagebuch. Ich habe es bis heute nicht getan. Viele der alten
Villen sind wunderschön restauriert und beinhalten nun
Ferienwohnungen. Ob die in der Hauptsaison alle vermietet
werden können, erscheint uns allerdings fragwürdig.
So endet unsere Flusstour nicht ganz stilecht in den Kaiserbädern auf Usedom. Der Greifswalder Bodden und der Weg nach Rügen sind mögliche weitere Ziele in diesem für uns noch immer ziemlich unbekannten Teil Deutschlands, dessen landschaftliche Schönheit und die Freundlichkeit der Menschen uns beeindruckt hat.